Ist die Charité Cannabisforschung weltführend? Ein Interview mit Dr. Kamhieh-Milz

Mit der Liberalisierung von Cannabis als Medizin, würde jetzt jeder vermuten, dass die Berliner Charité Cannabisforschung global eine wichtige Rolle spielt. Ob dies so nun ist oder nicht, kann uns Herr Doktor Kamhieh-Milz vom Institut für Transfusionsmedizin sicherlich näher erläutern.

Sehr geehrter Herr Doktor Kamhieh-Milz, Sie sind seit über 10 Jahren als Wissenschaftler an der Charité in Berlin tätig und aktuell auch Dozent für organische Chemie an der Technischen Hochschule Wildau. Meines Wissens nach ist die Charité das größte Krankenhaus Europas, können sie das bestätigen?

Ja, Herr Kamphaus, man kann getrost behaupten, dass die Charité mit ca. 14.500 Mitarbeitern und etwa 3.000 Betten das größte Universitätskrankenhaus Europas ist. Sie ist gleichzeitig auch der größte Arbeitgeber in Berlin und wurde bereits 1710 gegründet. Hier gibt es Kliniken jeglicher Fachrichtung – von „A“ wie Allergiezentrum bis „Z“ wie Zentrum für Muskel- und Knochenforschung. Häufig kommen hier die kompliziertesten und schwierigsten Fälle zur Behandlung.

Wenn die Charité das größte Krankenhaus in Europa ist, wird nun jeder meiner Leser erwarten, dass sie auch führend in der Cannabis Forschung ist. Können Sie das bestätigen?

Nun ja, Sie müssen verstehen, dass Cannabis in Deutschland erst seit 2017 für medizinische Behandlungen freigegeben wurde. Das Thema Cannabis Forschung muss erst langsam anlaufen. Aber es gibt schon einige Wissenschaftler, die sich mit dem Thema an der Charité beschäftigen.

Wie findet denn in Deutschland Forschung statt? Wer bestimmt über die Forschung?

Ein Wissenschaftler in Deutschland lebt davon, dass er Forschungsanträge schreibt und bei verschiedenen Institutionen einreicht, um Gelder für seine Ideen zu bekommen. Dieser Prozess dauert einige Monate bis man entsprechende Anträge geschrieben hat, diese müssen dann von Prüfern gelesen werden und für gut betrachtet werden, um in die Förderung zu kommen.

Die einzelnen Forschungsförderungsinstitutionen (Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Projetträger Jülich (PTJ), Bundesgesundheitsministerium, Wirtschaftsministerium, private Stiftungen,…) sind im Augenblick erst noch dabei, Finanzierungsetats für Cannabisforschung aufzusetzen. Meine eigene Arbeitsgruppe hat es bereits am eigenen Leibe erfahren. Wir hatten einen DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) Antrag zu Cannabis gestellt. Es ging dabei um den Einfluss von Cannabis, bzw. dessen Extrakte auf Blutplättchen hin zu untersuchen. Blutplättchen sind nicht nur für die Gerinnung wichtig, sondern sind auch aktive Player im Immunszenario. Wir vermuten, dass das THC der Cannabisblüten die Blutplättchen aktivieren und so das Risiko von Schlaganfall erhöhen könnte. Das zu untersuchen ist für Patienten, die mit hohen THC-haltigen Cannabis gegen schwerwiegende und chronische Erkrankungen behandelt werden, klinisch hoch-relevant. Es gibt viele Hinweise darauf, dass Cannabis auch bei Autoimmunerkrankungen gute Wirkungen zeigt. Welche Rolle hier die Thrombozyten spielen, wird wohl auch vorerst unbekannt bleiben. Die DFG ist leider noch nicht soweit Cannabis Projekte groß zu fördern.

Gibt es denn überhaupt schon Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen zum Thema Cannabis?

In der Tat. Es gibt bis heute über 20.000 Artikel zum Thema. Seit dem Jahr 2000 kommen pro Jahr immer mehr Artikel hinzu. Dabei handelt es sich jedoch um nur rel. schwache Veröffentlichungen mit geringer Fallzahl und fragwürdiger Statistik, die teilweise in wenig vertrauensvollen Journalen veröffentlicht wurden. Durch den weltweiten zu erwartenden Anstieg des Cannabiskonsums sind Grundlagenforschungen zu diesem Thema wichtiger den je.

Was macht die Charité Cannabisforschung im Moment so schwer?

Charité Cannabisforschung? Wir haben bei dem Thema Cannabis eine ganz besondere Situation. Normalerweise werden „Medikamente“ erst nach erfolgreich durchgeführten klinischen Studien (Phase III) zugelassen. Solche Studien fehlen aber bei Cannabis. Durch die Legalisierung von Cannabis und das breite Anwendungsspektrum wurde damit der Pharmaindustrie politisch gesehen ordentlich auf den Schlips getreten. Sie können mit z.T. starken Einbußen in verschiedenen Absatzmärkten rechnen (z.B. für Schlaftabletten, Medikamente gegen Schmerzen, Bluthochdruck, Autoimmunerkrankungen, Krebs u.v.m.). Die Gutachter, die für die Freigabe von Forschungsmittel eingesetzt werden, haben ein „sagen wir mal“ sehr gutes Verhältnis zur bestehenden Industrie. Hinzu kommt, dass es beim Thema Cannabis als Medizin auch eine gewisse „Goldgräberstimmung“ gibt. Somit hat es sich im Moment so etabliert, dass die Fördermittelgeber darauf verweisen, dass klinische Studien zum Thema Cannabis von den am Markt bereits befindlichen Cannabisfirmen finanziert werden sollten (z.B. Aurora Deutschland, Bionorica, Tilray, etc.). Diese sind dazu jedoch nur bedingt bereit, da es sich beim Cannabis als Blüte und Extrakt nur um ein Generikum handelt und hier keine Schutzrechte erhoben werden können. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Dinge wirklich entwickeln werden, aber wir hoffen, dass sich die Fördermöglichkeiten in den nächsten Monaten deutlich verbessern werden. Denn Grundlagenforschung zu dem freigegebenen Medikament Cannabis sind schlicht gesagt, klinisch hoch relevant. 

Darf ich fragen, wie sie überhaupt auf Cannabis gekommen sind?

Ich habe einen sehr guten Freund, der sich mit dem Vertrieb von medizinischer Diagnostik in der Onkologie beschäftigt. Es geht dabei um zirkulierende Tumorzellen, die ein sehr guter Indikator für den Fortschritt einer Tumor Erkrankung sind. Er ist auch wissenschaftlicher Berater einer israelischen Cannabis Firma und er vertreibt selbst das youcann CBD Öl.

Mit ihm zusammen planen wir die Eigenschaften von THC, CBD den Terpenen und anderer Inhaltsstoffe der Cannabispflanze näher zu untersuchen. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung eines Chemotherapeutikums für die Behandlung von Tumorerkrankungen.

Außerdem habe ich sein YouCann CBD Öl meiner Mutter gegeben, die nierentransplantiert ist und einige, weitere Erkrankungen hat. Ich war begeistert, wie gut die Tropfen bei ihr gegen ihre chronischen Rückenschmerzen anschlugen. Sie sagt sie kommt wesentlich besser durch den Tag und hat auch nicht mehr so starke Schmerzen wie sonst immer.

Herr Dr. Kamhieh-Milz wie würden Sie die Anwendung von Cannabis an der Charité beurteilen?

Ich beobachte eine verhaltene Euphorie bezüglich CBD und auch THC. Ein guter Kollege von mir aus dem Immanuel Kant Krankenhaus, einem akademische Lehrkrankenhaus der Charité, ist in der Naturheilkunde heimisch. Er verwendet bereits Cannabis für seine Patienten mit großem Erfolg.

Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Kliniken kann ich Ihnen jedoch keine genaue Auskunft geben, wie intensiv Cannabis bereits in anderen Schwerpunktkliniken eingesetzt wird. Von der klinischen Forschungsorganisation der Charité weiß ich jedoch, dass bereits mehrere Studien mit Cannabis laufen. Wann ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, bleibt abzuwarten.

Wo kommt denn dann die Forschung zu Cannabis her?

Wenn Sie derzeit nach Spitzenforschung im Bereich Cannabis suchen, dann müssen sie noch nach Israel gehen, auch die USA und Kanada spielen schon eine gewisse Rolle. In Israel wird Cannabis bereits seit über 10 Jahren in der Medizin verwendet und es liegen sehr viele Erfahrungsberichte für unterschiedlichste Indikationen vor.

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Wie sehen Sie die Zukunft von Cannabis?

Ich sehe Cannabis als eine sehr interessante Pflanze mit vielen Wirkungen. Es ist keine Wunderpflanze, die gegen alle Krankheiten hilft. Sie hat aber in der modernen Medizin durchaus ihre Daseinsberechtigung, allein schon wegen des sehr geringen Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu entsprechenden anderen Medikamenten. Auch kann man nicht an einer Überdosis sterben, was dieses Medikament an sich schon als sehr sicher klassifiziert. Da durch die Cannabinoide verschiedene Stoffwechselwege aktiviert bzw. deaktiviert werden, hat es einen sehr großen, regulatorischen Einfluss auf den menschlichen Körper.

Durch das körpereigene Endocannabinoid System lassen sich die unterschiedlichsten Wirkweisen des Cannabis leicht erklären, aber es gibt noch sehr viel im Detail zu erforschen. Zum Beispiel ist immer nur vom CB1 und CB2 Rezeptor die Rede, aber es gibt noch viele weitere Rezeptoren, wo die Cannabinoide wirken. Das zu entschlüsseln wird noch Jahre dauern.

Das hört sich ja schön um wahr zu sein an. Gibt es denn wirklich keinerlei Risiken?

Naja, im Bereich der Neurologie ist vielleicht Vorsicht geboten. Die überall erwähnte Bildung von Psychosen kann durchaus zu einem Problem werden, aber die dafür anfälligen Personen sind bereits vorher neurologisch auffällig und damit entsprechend vorsichtig zu behandeln. THC verstärkt in der Regel Psychosen und ist daher kontraindiziert.  

Man darf auch die Gruppe der Kinder und Jugendlichen nicht vergessen, deren Gehirne noch in der Entwicklungsphase sind. Im eigenen Interesse sollte niemand unter 21 sich einem Cannabis-Rausch aussetzen. Das geht zwar in den allermeisten Fällen gut, aber kann in Einzelfällen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Gehirnentwicklung und zu neurologischen Problemen führen. Auch ist dringend davon abzuraten Cannabis während der Schwangerschaft zu nehmen. Die Neugeborenen sind neurologisch meistens sehr auffällig, je nach Intensität des Cannabis Missbrauchs.

Wie stehen sie zur Legalisierung?

Hier müssen wir differenzieren. Meinen Sie Cannabis als Medikament oder als Genussmittel. Ich trinke keinen Alkohol, ich rauche keine Zigaretten und nehme auch sonst keine Drogen. Daher bin ich evtl. der Falsche für die Frage. Wie Prof. Harald Lesch bereits sagte. Über die Legalisierung von Cannabis als Genußmittel brauchen wir gar nicht diskutieren, aber wir sollten uns fragen, warum Alkohol überhaupt erlaubt ist! Denn Alkohol ist ein Zellgift und dem Körper völlig unbekannt. Cannabis hingegen, auf Grund des Endocannabinoid Systems, nicht und ist daher weniger schädlich. Auch wird Cannabis zu Heilungszwecken schon seit Jahrtausenden von Menschen eingesetzt und ist dem Körper nicht völlig unbekannt.  

In Kenntnis der vielfachen Wirkungen allein schon vom CBD, das ich übrigens für potenter erachte als das THC, in Kombination mit dem geringen Nebenwirkungsprofils und zu wissen, dass es scheinbar keine tödliche Dosis für Cannabis gibt, ist es mir ein Rätsel, warum im allgemeinen über Cannabis so schlecht geredet wurde und noch teilweise wird. Alkohol wird hingegen rund um die Uhr im Fernseher und auf Plakaten beworben.

Das Suchtpotential von Alkohol und Zigaretten ist wesentlich größer. Das oft destruktive Verhalten vieler Betrunkener, die damit verbundene häusliche Gewalt und psychische Gewalt gegenüber Kindern und dazu die noch ca. 74.000 Todesfällen jedes Jahr, macht die ganze Debatte einfach nur komplett absurd.

Entweder ich verbiete Alkohol und Zigaretten zukünftig ebenfalls – was nicht passieren wird – oder Cannabis muss als wesentlich harmlosere Droge ebenfalls so zugänglich gemacht werden, wie Alkohol und Zigaretten. Mir wäre persönlich natürlich am liebsten, wenn wir alle Drogen verbieten würden und Cannabis eben kontrolliert zu therapeutischen Zwecken einsetzen, so wie auch andere Medikamente wie Antibiotika oder Opiate.

Spätestens jedoch, wenn Bierhersteller und Zigarettenfirmen mit Cannabis Umsatzsteigerungen erzielen können, werden diese Lobbies genug Druck auf die Politik ausüben, um Cannabis als Genussmittel zu legalisieren. Es ist nur eine Frage der Zeit und am Ende zählt nur das Geld, die Umsätze und die Steuereinnahmen, die sich mit diesem Geschäft erzielen lassen. 

Was ich auf jeden Fall ruhigen Gewissens sagen kann: Für medizinische Zwecke muss Cannabis unbedingt zugänglicher für Patienten werden, wo ein Behandlungserfolg in Aussicht steht. CBD als wirkungsvolle, nicht psychotrope Substanz muss in die Kassenleistung mit aufgenommen werden. Denn Patienten suchen immer stärker nach natürlichen, nicht-pharmakologischen Alternativen und CBD ist dafür einfach prädestiniert. Um das Potenzial von Cannabis im allg. zur Behandlung von verschiedensten Erkrankungen weiß auch die Pharmaindustrie. Mal sehen wie sie sich positioniert. Sie müssen früher oder später auf diesen Zug aufspringen, ob sie wollen oder nicht.  

Ich bedanke mich für Ihre Plädoyer und das informative Interview zur klinischen Charité Cannabisforschung.

Hast Du Fragen zum Beitrag? Hier kannst Du mich direkt kontaktieren.

Oder möchtest Du mehr zum Thema lesen? Dann empfehle ich Dir das Buch Cannabis. Was man weiß, was man wissen sollte“ von Peter Cremer-Schaeffer

Jörg A. Kamphaus

View Comments

  • Hallo Herr Kamphaus, aufschlussreiches Interview, besonders über den Einfluss der Pharmaindustrie auf die Vergabe von Bundesmitteln zur Forschung.
    Was mich beschäftigt ist die Einstellung der Forschung zu grünem Hanf. Ich stelle Hanf Natursaft aus grünem frischem Hanf her - als Lebensmittel und vorbeugendes Heilkraut mit alle Cannabinoiden. Die Pharmalobby beeinflusst die Politik dahingehend, den harmlosen Hanf zu verbieten. Es gibt Keine Gelder für die Forschung und Feststellung der Sicherheit für die Volksgesundheit. Eine wertvolle rauschfreie Pflanze wird der Bevölkerung vorenthalten. Es wäre schön, wenn Sie dazu ein Interview veröffentlichen würden. beste Grüße und ein gutes neues Jahr!

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