Der THC Hype: Medizinisches Cannabis, sprich THC-haltige Extrakte, sind ja mittlerweile in vielen Ländern freigegeben. Aber wie ist es nun mit dem THC – ist der THC Hype wirklich gerechtfertigt?
Diffuse “Wahrheiten”
Wir müssen etwas mehr in die Tiefe gehen, um zu verstehen was THC wirklich kann und welche Wirkungen eigentlich dem CBD (Cannabidiol) zuzuschreiben sind.
Geben wir den Suchbegriff Cannabis bei Google ein erhalten wir 268 Mio. Einträge.
Geben wir den Begriff THC finden wir 73,9 Mio. Ergebnisse.
Jeden Tag kommen tausende neuer Artikel im Internet dazu, dabei schreibt einer vom anderen ab, dadurch wird gemäß den Regeln von stiller Post letztendlich oft an der Realität vorbei geschrieben.
Wissenschaftliche Publikationen
Hierzu muss ich “pubmed” vorstellen, das ist die US National Library für wissenschaftliche Publikationen, wo viele Millionen medizinisch-wissenschaftlicher Journals, Bücher und Veröffentlichungen eingesehen werden können. Hier handelt es sich um die sogenannte Primärliteratur. Suchen wir hier nach dem Wort Cannabis, THC und CBD finden wir schon deutlich weniger Artikel als in Google. Viele der oben genannten 268 Mio. Einträge beziehen sich direkt oder indirekt auf die folgenden Veröffentlichungen.
SUCHWORT (Stand 09.08.2019) | ANZAHL WISSENSCHAFTLICHER ARTIKEL |
---|---|
Cannabis | 20347 |
THC | 10066 |
CBD | 6615 |
Oft lesen sich Reporter die Zusammenfassung solche Publikationen durch, interpretieren mit ihrem laienhaften Wissen, was das bedeuten könnte und schreiben darüber Artikel, ohne wirklich eine Ahnung zu haben, was wirklich in dieser Publikation steht.
Im Jahre 1963 hat der israelische Forscher Raphael Mechoulam (Tetrahedron. 1963 Dec;19(12):2073-8) zum ersten Mal THC aus einer Cannabispflanze isoliert und genauer charakterisiert. In den Folgejahren schaffte er es dann auch die Israelische Regierung davon zu überzeugen Cannabis für medizinische Zwecke einzusetzen. Mit den Jahren wurden weitere Cannabinoide, wie z. B. das Cannabidiol (CBD) gefunden, mittlerweile kennt man über 60 Cannabinoide assoziiert mit über 120 Terpenen, je nach Cannabis-Pflanze.
All diese Stoffe nehmen irgendwie mehr oder minder starken Einfluß auf den menschlichen Körper, teilweise aktivierend oder auch hemmend.
So kann man meines Erachtens sehr viele Publikationen nur mit Vorsicht genießen, denn meistens wurden Extrakte aus der Cannabispflanze genommen und nicht hochreine Substanzen, um ihre Wirkung an Tieren oder Menschen zu untersuchen. Allzu Oft wird auch von den Laienreportern einfach vom Tierexperiment auf den Menschen geschlossen oder klinische Studien mit 10 Patienten (statistische irrelevant) werden auf die gesamte Menschheit überragen. So wurden dem THC sehr viele Eigenschaften zugeschrieben, die es eigentlich gar nicht hat, oder nur im Zusammenspiel mit anderen Cannabinoiden und Terpenen zeigt.
Der THC Hype ist im Grunde genommen nur dem psychoaktiven Effekt des THCs zu verdanken. Jeder der Cannabis raucht und high wird, glaubt das die Pflanze gut “funktioniert”. Dies ist wissenschaftlich allerdings nicht haltbar. Deshalb ist es so wichtig Gelder für die systematische Erforschung von Cannabis Wirkstoffen bereitzustellen.
Da Cannabis von vielen Arzneimittelbehörden als Pharmazeutikum freigegeben wurde und damit im eigentlichen Sinne als Generikum zu verstehen ist, wird die Pharmaindustrie selber kaum größere Millionenbeträge in die Hand nehmen, um in die Grundlagenforschung rund um das Cannabis zu investieren. Dies muss und wird Aufgabe der Staaten sein, speziell auch für große epidemiologische Studien.
Renaissance und THC Hype in Apotheken?
Gäbe es noch heute Apotheker, die bereits vor 100 Jahren in deutschen Apotheken Medikamente verkauft haben, so würden sie eine interessante Renaissance des Cannabis erleben. Denn wenn wir nur ca. 100 Jahre zurückgehen, dann waren in deutschen Apotheken circa 50% der verkauften Arzneimittel auf Cannabis basierend. Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nicht genau, was man verkaufte und auf welches Molekül die Wirkung zurückzuführen war.
So wie in der Antike, im Mittelalter und noch um 1900 herum muss von einem Glücksfall gesprochen werden, wenn Cannabis besonders effektiv wirkte, denn je nach Quelle hatte man das Glück, dass perfekte Extrakt zu erwischen oder auch Pech, ein weniger unwirksames Extrakt.
Dies wird es auch in Zukunft schwierig machen ein genau definiertes Extrakt vom Cannabis als zugelassenes Fertigarzneimittel für eine bestimmte Indikation registriert zu bekommen.
Wer kann mehr? THC oder CBD?
Hierzu muss man ein wenig die Wirkweisen vom THC und CBD (und anderen Cannabinoiden) verstehen.
Thc Funktion
Vom THC weiß man mittlerweile sehr genau, dass es an den Cannabinoid Rezeptor 1 und Cannabinoid Rezeptor 2 andockt (CB1, CB2). Sie befinden sich transmembranständig am synaptischen Spalt von Nervenübergängen und beeinflussen Kalium Ionenkanäle in den Membranen, die die Nervenreizweiterleitung manipulieren. Das führt dann zu dem viel beschriebenen psychoaktiven Effekt (!sehr vereinfacht dargestellt!). Nun gibt es allerdings noch mindestens vier weitere Rezeptoren, die in irgendeiner Weise mit dem THC interagieren und dadurch Änderungen im Stoffwechsel verursachen. Ein Effekt ist z.B. die Heißhungerattacke, die man sich bei der Behandlung von onkologischen Patienten zunutze macht. Deren Problem ist, dass durch die aggressive Chemotherapie oft sehr viel Gewicht verloren wird und nur beim Anblick von Essen Übelkeit hervorgerufen wird. Oft können diese Patienten für 5-7 Tage nichts zu sich nehmen. Doch um den nächsten Chemotherapiezyklus zu überleben, muss der Patient wieder genügend Gewicht zugelegt haben. Hier kann THC eine wirkliche Hilfe sein, aber auch seine schmerzlindernden Eigenschaften kommen bei dieser Behandlung dem Patienten zugute.
Weitere Eigenschaften die den THC Hype erklären, sind in der folgenden Tabelle aufgelistet.
THC und seine, in der Literatur beschriebenen Eigenschaften | Kann Einfluss nehmen auf |
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Lindert Schmerzen | Lindert Schmerzen |
Antiemetikum | Lindert Erbrechen und Übelkeit |
Antiproliferativ | Hemmt das Zellwachstum in Tumoren und Krebszellen |
Krampflösend | unterdrückt Muskelkrämpfe] |
Appetit-Stimulanz | Regt den Appetit an, Fressattacken |
CBD Wirkungen
CBD ist erst in den letzten wenigen Jahren berühmt geworden. Auch ihm kann man pharmakologische Wirkungen zuschreiben und zwar sind sie der Natur, dass sie die Effekte des THC hemmen und abmildern. So nehmen onkologische Patienten gerne auch hoch konzentriertes CBD zu sich, um die psychoaktiven Effekte des THCs etwas abzumildern.
Aber CBD kann noch mehr, es scheint dass es die CB1 und CB2 Rezeptoren an anderer Stelle bindet und sie dadurch “verbiegt” (allosterische Hemmung), was dann die Effizienz des THC inhibiert. Ferner gibt es Hinweise, dass das CBD Enzyme blockiert, die den Abbau von den körpereigenen Cannabinoiden verlangsamt und dadurch höhere Konzentrationen im Blut erzeugt, eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. In der folgenden Tabelle sind die Eigenschaften des CBD gelistet, die man in der Literatur findet. Ich möchte diese beiden Tabellen vom THC und CBD jedoch mit Vorsicht gelesen wissen, denn zum Teil kann es sich auch hier noch um Fehlinterpretationen bzw Zuordnungen der Eigenschaften aus älteren Publikationen handeln.
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CBD und seine, in der Literatur beschriebenen Eigenschaften | Kann Einfluss nehmen auf |
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Nerven schützend | Neurodegenerative Erkrankungen, z. B. Multiple Sklerose |
Reduziert Krämpfe, Muskelzuckungen | Parkinson, Restless Leg Syndrom, Druvet-Syndrom, Epilepsie |
Gegen Übelkeit und Erbrechen | Chemotherapie Nebenwirkung |
Mindert Angstzustände, Schizophrenie, Psychosen | Lindert Ängste, Psychosen |
Gefäßerweiternd | Blutdrucksenkend |
Immunsuppressiv | reduziert die autoimmunen Entzündungsvorgänge bei Diabetes vom Typ 1 |
Vermindert Gefäßverschlüsse | Gegen Arteriosklerose |
Hemmt Tumorwachstum | Induziert Tumorzellsterben |
Wirkt beruhigend | Schlafstörungen, ADHS, Autismus |
Befreit von Schmerzen | Migräne, Rückenschmerzen,… |
Appetithemmend, Süchte, Abhängigkeiten | kann Abhängigkeiten hemmen. |
Reduziert den Blutzucker | Typ I, evtl. auch Typ II |
Entzündungshemmend | Neurodermitis, Akne Inversa, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa |
Eine Arbeitsgruppe, die ich kenne, hat sich mit der Zytotoxizität von CBD auf zirkulierende menschliche Tumorzellen beschäftigt. Dabei ergaben die Messung das CBD im Vergleich zur CBD-Säure eine höhere Tötungsrate gegenüber Prostata- und Brustkrebszellen zeigt. Dies sind jedoch auch wieder Ergebnisse, die bisher nur auf ein ein paar, wenigen Patienten zurückzuführen sind. Diese Messungen sind vorläufige Ergebnisse, die durch größere klinische Anwendungen bestätigt werden müssen. Viele werden jetzt sagen: “Ja, das ist ja bekannt, dass CBD auf Krebszellen tötend wirkt. Dies ist publiziert, es wurden jedoch Krebszellinien aus dem Labor gemessen, die kaum noch etwas mit dem ursprünglichen Patienten zu tun haben. In unserem Fall wurde aber direkt das Blut der Patienten untersucht und hat damit eine ungleich höhere Validität.
Fazit: Ist der THC Hype gerechtfertigt?
Basieren auf den in der Tabelle gezeigten Eigenschaften und den mittlerweile praktischen Erfahrung aus israelischen Kliniken ist der THC Hype garantiert berechtigt und wird sehr, sehr vielen Patienten auf eine natürliche Weise helfen, Erleichterung in ihrer Krankheit zu erfahren. Betrachtet man daneben das CBD würde ich sogar behaupten, dass hier die Wirkungen noch umfangreicher sind und für viele, der in der Historie und wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Wirkungen hauptsächlich verantwortlich ist. Frage doch den Otto-Normalverbraucher was ihn am Cannabis so fasziniert, dann wird es der psychoaktive Effekt sein, der automatisch mit “einer” Wirksamkeit assoziiert wird.
Ich bin mir sicher, wir werden in den nächsten Jahrzehnten sehr viel Detailwissen zu den Einzelsubstanzen im Cannabis bekommen, auf jeden Fall glaube ich, dass es deutlich besser ist als viele andere Medikationen, speziell im Hinblick auf Opiate und Heroin und seine Derivate, die leider zurzeit großes Leid in der US-Bevölkerung erzeugen. Ob damit der THC Hype wirklich gerechtfertig ist, sollte und muss jeder für sich entscheiden.
Hast Du Fragen zum Beitrag? Hier kannst Du mich direkt kontaktieren.
Oder möchtest Du mehr zum Thema lesen? Dann empfehle ich Dir unter anderem das Buch „CBD: Ein Cannabinoid mit Potenzial„ von Chris Conrad und Rita Höner